Das kleine Büro im ersten Stock rechts des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Möggingen ist eigentlich mehr ein Schlauch, aber dennoch gemütlich. Links am Eingang thront ein altes dunkelbraunes Stehpult. Übersät mit Fotokopien, Blättern und Notizen. An der rechten Wand gerahmte Bilder der ehemaligen Leiter der Vogelwarte Radolfzell-Rossitten. Davor stehen Aktenschränke, vollgepfropft mit unzähligen Ordnern: Korrespondenz, Notizen. Außerdem, ordentlich nummeriert und beschriftet, sämtliche gehaltenen Vorträge – bis heute 595! Gehalten hat sie Professor Dr. Peter Berthold, 80, Deutschlands bekanntester Vogelkundler und Naturschützer. Seit der Kindheit ist er, wie er sagt, „den Piepmätzen verfallen“.
Bereits als 10-Jähriger beobachtete Peter Berthold mit dem Fernglas seines Großvaters die vielfältige Vogelwelt. „Doch so richtig infiziert wurde ich am 19. November 1952“, erinnert sich Peter Berthold ganz genau. „Unter dem Fensterbrett meines Kinderzimmers hatte ich Zigarrenkisten montiert, in die Vögel hineinschlüpften. An diesem Mittwoch landete eine Kohlmeise mit einem Aluminiumring am Bein. Eingeprägt war H69870 Radolfzell Germania.“ Der 13-Jährige erfuhr, dass die Meise von einem Lehrer aus der Nachbarschaft für wissenschaftliche Zwecke beringt worden war: „Er war ehrenamtlicher Beringer der Vogelwarte Radolfzell.“ Peter Berthold war fasziniert, sein Berufswunsch stand fest: Vogelforscher.
1954 bestand Peter Berthold die Aufnahmeprüfung für ein „Aufbaugymnasium mit Internat“ in Nagold. „Die idyllische Kleinstadt am Schwarzwald war meine erste Heimat. Und es war der Ort, an dem alle wichtigen Weichen für mein späteres Leben gestellt wurden.“
Das waren unter anderem: Mitgliedschaft in der Deutschen Ornithologen Gesellschaft (DO-G). „Zu meiner ersten Mitgliederversammlung in Frankfurt bin ich mit dem Rad gefahren“, erzählt Peter Berthold. Auf der Versammlung erhielt er dann die Genehmigung, als ehrenamtlicher Beringer für die DO-G zu arbeiten. „Der erste Schritt Richtung Ornithologe war geschafft“, schmunzelt er. Um Schule und den Beringerjob unter einen Hut zu bringen, beschloss Peter Berthold, seinen Arbeitstag zu verlängern: „Ich war oft schon morgens um vier Uhr wach. Zwei Stunden, die ich für die Vögel nutzen konnte.“
In seinem Studium belegte Peter Berthold ab 1959 alles, was sich an Vorlesungen, Praktika und Seminaren irgendwie im Wochenstundenplan unterbringen ließ. Am 1. September 1967 konnte er an der Max-Planck-Forschungsstellle anfangen und blieb bis zum Januar 2005, davon die letzten sechs Jahre als Max-Planck-Direktor. Oberste Priorität seiner Forschung war dabei immer der Gedanke, dass sich mit solider Grundlagenforschung so zweifelsfreie Fakten schaffen lassen, dass entsprechende Gesetze für die politische Umsetzung sorgen. Weit gefehlt: „Es gibt bei uns keine Möglichkeit, etwas auf eine politische Ebene zu heben, um etwas zu verändern. Die meisten Politiker haben keine Ahnung, worüber sie reden, sondern sind nur darauf bedacht, so lange wie möglich in Amt und Würden zu bleiben, um ihre Pension zu sichern. Pläne, Ideen und zwingend notwendige Veränderungen scheitern an faulen Kompromissen, Unwissen und Desinteresse.“
Für Peter Berthold war der Weg vom renommierten Grundlagenforscher zum engagierten Naturschützer ein schleichender Prozess. „Anfang der 50er-Jahre gab es Vogelleben überall, fast noch wie im Paradies.“ Peter Berthold streicht über seinen Bart, dann fährt er fort: „Was ist davon übrig geblieben? Wenig? Die Population unserer Vögel und Insekten ist bis heute um 80 Prozent geschrumpft. Unzählige Arten sind ausgestorben. Nichts von alledem kannten wir in unserer Zeit.“ Tatsächlich geriet Peter Bertholds Glauben an das Gute der Gesellschaft erstmals 1973 ins Wanken: Für den Max-Planck-Spiegel sollte er einen Bericht über die Zugvogelforschung schreiben. Heraus kam eine kritische Auseinandersetzung der Vogelreduktion durch Anwendung von Pestiziden (z. B. DDT), Quecksilberverbindungen und Industrieabfällen in Boden, Wasser und Luft. „Es gab einen Aufstand in der Max-Planck-Gesellschaft, bei den Vorständen der Chemieunternehmen und auch in der Politik. Allein meine Forderung nach mehr Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit stieß auf erbitterten Widerstand“, erinnert sich Peter Berthold. Das ging so weit, dass die Direktoren der Max-Planck-Gesellschaft ernsthafte Überlegungen anstellte, die Zusammenarbeit mit dem Autor zu beenden. „Später habe ich erfahren, dass Konrad Lorenz meinen Kopf aus der Schlinge zog. Er beendete die Diskussion, indem er mit der Faust auf den Tisch schlug und nur zwei Worte sagte: Der bleibt!“
Er blieb 38 Jahre. 38 Jahre, in denen Peter Berthold die Vogelwarte Radolfzell weltweit bekannt machte. Doch Peter Berthold setzt nicht nur auf Fakten, auch die Schöpfung und der liebe Gott spielen eine große Rolle: „Ja, es gibt eine Schöpfung“, sagt Peter Berthold mit dem Brustton innerster Überzeugung. Im Januar 2005 endeten für Peter Berthold seine vielen Jahre im Max-Planck-Institut für Ornithologie. Bis heute aber hat er dort sein kleines Büro, in dem er bestimmt dreimal in der Woche anzutreffen ist. Seit seinem 80. Geburtstag hält er keine Vorträge mehr. Auch das Bücher schreiben hat er ad acta gelegt. Nur Fernsehauftritten, Rundfunkgesprächen oder Interviews verwehrt er sich nicht: „Besser kann ich die Öffentlichkeit nicht auf meine Ziele aufmerksam machen.“
Noch immer beringt Peter Berthold – sooft es seine Zeit erlaubt – Vögel. Traurig: Fast die Hälfte aller Brutvögel in Deutschland stehen auf der Roten Liste. „Früher kamen Bluthänfling, Grauschnäpper, Klappergrasmücke oder Gartenrotschwanz in meinen Garten. Die sind verschwunden, aber auch Waldlaufsäger, Braunkehlchen oder Kuckuck locke ich vergebens an.“ Mit seiner zweiten Frau Gabriele bewirtschaftet er nach wie vor eine kleine Landwirtschaft: Schafherde, Hühner und Hofhund. „Ich brauche diese Verbindung zur Erde.“ Allerdings gönnt er sich jetzt mehr Ruhe. So steht er morgens nicht mehr um 4.15 Uhr auf, sondern lässt den Wecker erst um 5 Uhr schellen.
Wer Peter Berthold kennt, weiß, dass dieses Philosophieren oft in einer Idee zum Schutz der Natur und seiner geliebten Vogelwelt endet! Und der weiß auch, dass Peter Berthold immer noch Hoffnung hat, Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch alles zum Guten wendet ...
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Kommentare (2)
Inken
am 24.04.2019Margaretha Schellhammer
am 27.04.2019ich habe auf dem Balkon Teller mit Futter - Erdnüsse, Sonnenblumenkerne und Wasser
letzten Herbst kamen bis zu 30 Spatzen, bis jetzt komen nur etwas 10 Spatzen
letztes Jahr kamen 3 Meisenpaare, 3--4 Kleiber, 1-2 Rotkehlchen, 2 Amseln, Haubenmeise
Grün und Buntspecht - Sperber - kommen alle nicht mehr
1 Kranich war auf dem Nachbarhaus
ich bin etwas Gehbehindert und schaue auf meinen Balkon was für Vögel da kommen
Herzliche Grüße
Margaretha Schellhammer