Herr Alt, sprechen wir über Kanzlerin Angela Merkel. Sie meinen, dass sie maßgeblichen Anteil an der Gründung der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien hatte. Wie kam es dazu?
Dafür muss ich etwas ausholen. Mein Buch „Lust auf Zukunft“ ist Hermann Scheer gewidmet. Er saß bis zu seinem Tod 2010 für die SPD 30 Jahre im Bundestag. Hermann Scheer gilt als Solarpapst.
Er hat über 20 Jahre auf der ganzen Welt eine Agentur für erneuerbare Energien gefordert, die international arbeitet. Er wollte, dass die Politiker mit der Atomenergie und der Kohlelobby auf Augenhöhe argumentieren können.
Einmal sagte ich zu ihm: „Hermann, das nützt nichts, wenn du das immer erzählst auf der ganzen Welt. Wir müssen das mal umsetzen.“ „Ja wie denn, dafür brauche ich eine Regierung“, gab er zurück. „Du bist ja SPD-Abgeordneter. Ich habe einen Draht zur Frau Merkel. Lass uns gemeinsam hingehen, und sie setzt das dann auf die Schiene – die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien. Sie lädt die ganze Welt zur Gründungsversammlung ein und alle kommen.“
Wir sind 2008 zu Angela Merkel. Die Kanzlerin hat 15 Minuten zugehört und dann plötzlich gesagt: „Das ist eine sehr kluge Idee. Das machen wir. Ich werde alle deutschen Botschafter anweisen, dass sie ihre Regierungsvertreter einladen. Wir machen in einem Jahr in Bonn die Gründungsversammlung.“
Mehr als 100 Regierungen sind gekommen. Ein Jahr danach gab es die Internationale Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) mit Sitz in Abu Dhabi. Bis heute sind 90 Prozent der Menschheit in dieser Weltagentur organisiert.
Alle wollen die deutsche Energiewende kopieren. Die stoppt zwar zurzeit, aber immerhin wurde durch sie viel erreicht. Da war die Merkel unglaublich konsequent. Sie hat Wort gehalten.
stadtgottes-Autor Thomas Pfundtner im Gespräch mit Franz Alt
Aber heute herrscht so ziemlicher Stillstand. Dabei bräuchten wir doch mehr Querdenker und Macher in der Politik. Und die Politiker müssen davon wegkommen, immer an die nächste Wahl und die Stimmen zu denken. Das Problem ist doch: Kein System wie unser politisches wird sich freiwillig abschaffen.
Das könnte sein. Es könnte aber auch sein, dass beispielsweise die neue Bewegung um Sahra Wagenknecht etwas Ähnliches erreicht wie Macron in Frankreich. Mir ist das ideologisch zu eng, dieses Bündnis, deshalb mache ich da nicht mit.
Aber in der Demokratie brauchen wir immer Alternativen. Ich glaube, einer der ganz großen Fehler von Angela Merkel war, dass sie immer gesagt hat, zu ihrer Politik gebe es keine Alternative. Natürlich gibt es immer Alternativen. Mein Buch allein ist ja voller Alternativen, wovon wir natürlich noch viel umsetzen müssen.
Je mehr Druck aus der Öffentlichkeit entsteht, desto mehr kann man die Politik auch zwingen, vieles anders zu machen. Also, dass in Baden-Württemberg die Wähler unmittelbar nach Fukushima den grünen Ministerpräsidenten gewählt haben, ist ja auch ein Zeichen dafür, dass man vieles verändern kann.
Und bundesweit halten die Bürger Winfried Kretschmann für den beliebtesten Ministerpräsidenten.
Zu Recht. Das stimmt mich auch wieder optimistisch, dass man mehr verändern kann, wenn von unten Druck ausgeübt wird. Meine Forderung ist, dass die gesellschaftlichen Kräfte wieder stärker werden. Ob es eine linke Sammlungsbewegung oder mehr Druck von unten für eine menschengerechte, eine humane Flüchtlingspolitik ist oder für eine Welt ohne Atomwaffen, wie auch immer. Je mehr Druck von unten ausgeübt wird, desto schneller wird sich die Politik ändern.
Schauen Sie mal auf Muhammad Yunus, den Banker für die Armen. Er verkauft im Armenhaus Asiens, in Bangladesch, jeden Tag 8000 Photovoltaikanlagen. Als Banker. Er hat mehr erreicht als alle Regierungen zusammen. Weil er konsequent seinen Weg ging. Er hat Millionen Kunden, und zwar die Ärmsten der Armen. Denen hat er Kleinkredite verschafft. Eine Gesellschaft braucht immer Köpfe wie Muhammad Yunus. Leute, die mutig genug sind, etwas zu verändern oder anzuschieben.
Wen sehen Sie da bei uns?
Norbert Blüm. Er schreibt heute ständig Kommentare für eine C-orientierte Flüchtlingspolitik. Er ist auch einer der wenigen mutigen Leute bei den Christsozialen. Es gibt in allen Parteien solche Leute. Solange es Mutige gibt, die auch gegen die Obrigkeiten angehen, wird es auch Veränderungen geben.
Wenn also mehr Leute Angela Merkel stärker einheizen würden, dann würde sie auch in den Fragen, in denen sie noch nicht so progressiv ist, mehr umsteuern.
Aber ich sehe in dieser lahmen CDU, in der CSU erst recht, die Bremskräfte. Die sind noch viel zu stark. Eben auch, weil die anderen sich viel zu wenig zu Wort melden und ihr Mut machen. Sie braucht für eine andere Politik neue Mehrheiten. Sie ist ja auch nur ein Mensch. Deshalb muss aus der Gesellschaft ein größeres Erwachen kommen.
Wäre Jesus heute der bessere Lobbyist?
Jesus wäre ein großer Lobbyist. Das war er ja auch damals. Deshalb musste er ja beseitigt werden. Also der Harmlose, den Kirchen aus ihm gemacht haben, das war Jesus mit
Sicherheit nicht.
Er konnte reinschlagen im Tempel. Kein Zufall, dass danach der Friede aufgekündigt wurde. Danach war Schluss. Danach wurde er gekreuzigt. Wenn’s ans Geld geht – er hat den Kapitalisten die Tische umgeschmissen –, hört immer jede Freundschaft auf.
Damit wiederholt sich Geschichte.
So ist es. Was würde Jesus denn heute machen? Er würde kämpfen für die Umwelt. Würde kämpfen für eine gerechtere Welt. Wir brauchen nur die Bergpredigt zu lesen.
Selig sind die Friedensstifter. Jesus würde mit Sicherheit an erster Front in der Friedensbewegung stehen. Er würde Umweltschützer sein. Er würde für mehr Gerechtigkeit kämpfen. Er würde fragen: Was ist das für eine Welt? Eine reiche Welt, in der jeden Tag Kinder verhungern müssen.
An den drei Punkten Frieden, Gerechtigkeit und Umweltschutz wäre Jesus heute sicher aktiv und würde Klartext reden. Vermutlich nicht vor den alten Kardinälen im Vatikan. Vielleicht mit dem Papst.
Oder er würde vielleicht von einem Greenpeace-Schiff aus kämpfen. Kann ich mir gut vorstellen. Jesus würde sich an die Brennpunkte stellen. Er wäre auch heute ein großer Störenfried. Ich bin überzeugt, solange die Kirchen, zum Beispiel meine katholische Kirche, darüber streiten, ob Protestanten zur Kommunion dürfen, würde Jesus verzweifeln. Er würde stöhnen: Mein Gott, haben die Sorgen.
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Lesen Sie hier auch den ersten Teil des Interviews mit Franz Alt in unserer Januarausgabe.
Kommentare (1)
Inken
am 26.01.2019