„Kikeriki!“ Das Krähen eines Hahnes und das Scheppern von Milchkannen reißen mich aus dem Schlaf. Sechs Uhr früh, meine Muskeln schmerzen. Mühsam schleppe ich mich zum Fenster und ziehe die Vorhänge zur Seite, um nach dem Wetter zu sehen: Während es unten im Tal erst dämmert, sind die Berggipfel rund um Kalkstein bereits von der Sonne beleuchtet.
Wer auf dem Bergpilgerweg „Hoch und Heilig“ unterwegs ist, muss damit rechnen, immer wieder an seine mentalen und körperlichen Grenzen zu gelangen. Denn der 2017 eröffnete Weg führt über weite Strecken durch hochalpines Gelände. Gute Kondition, Ausdauer, Trittsicherheit und Erfahrung in den Bergen sind unbedingt erforderlich – und Demut vor der Natur. Vom Start in Lavant in der Nähe der wunderschönen Osttiroler Bezirkshauptstadt Lienz geht es in neun Tagesetappen bis nach Heiligenblut am Fuß des Großglockners. Pro Etappe sind dabei rund 20 Kilometer und zuweilen mehr als 1.000 Höhenmeter zurückzulegen. Wobei es auch möglich ist, den Pilgerweg nicht in einem Rutsch zu gehen, sondern nur ausgewählte Abschnitte.
Vereinte Pilgerwege
Ins Leben gerufen wurde das Projekt vom damaligen Lienzer Dekan Bernhard Kranebitter. Er und seine Mitstreiter machten es sich zum Ziel, die Wallfahrtsorte und -wege in Osttirol, Oberkärnten und dem angrenzenden Südtirol zu vereinen. Bekannten und kulturell bedeutenden Bauten, wie der Basilika Maria Luggau, der Stiftskirche in Innichen oder der Wallfahrtskirche in Obermauern wird auf der Route ein Besuch abgestattet. Aber auch kleine Kapellen, Dorfkirchen und Marterln, also Kreuze, finden sich am Weg, wertvolle Kleinode, die zum Verweilen und zum Gebet einladen.
„Dieser Weg ist so besonders, weil man auf ihm die Stille und Kraft der Natur intensiv wahrnehmen kann“, sagt Bernhard Kranebitter, mittlerweile Pfarrer in Innsbruck. „Man schöpft in der Stille der Berglandschaft Kraft für den Alltag. Denn Pilgern bedeutet nach innen zu wandern, über Berge und Grenzen.“
Ein Pilgerbüchlein enthält nicht nur Informationen zu Anreise, Unterkünften und Öffnungszeiten, es gibt vor allem auch Anregungen, wie es gelingen kann, frei zu werden im Kopf, eins zu werden mit Leib und Seele, mit wachen Sinnen das Wunder der Schöpfung wahrzunehmen: das Glitzern des Bergsees in der Sonne, die kleinen gelben Blüten zwischen den Felsen, das Rauschen eines Wasserfalls, den Duft nach Heu.
Bunt wie der Regenbogen
Zum Frühstück lassen wir uns würziges Bauernbrot, Almbutter und Schwarzbeermarmelade schmecken und studieren die Beschreibung der nächsten Etappe von „Hoch und Heilig“. Doch als erstes wollen wir noch das Kirchlein Maria Schnee besuchen und um gutes Wetter am heutigen Tag bitten. Im Vorraum finden wir den Stempel für den Pilgerpass und das gelbe Segensband, das wir zu dem dunkel- und hellblauen, dem türkisfarbenen und grünen Band auf unseren Karabiner knoten. Am Ende des Pilgerwegs in Heiligenblut werden die Bänder in allen Regenbogenfarben leuchten!
Die ganze Geschichte und Informationen zu den einzelnen Etappen gibt es bei uns im Heft.
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