An die Anfänge bei den Steylern erinnere ich mich gut: Verschwitzt bis auf die Haut stand ich vor zwei Missionaren. Meine Lederhose war dreckig, meine Schuhe abgetragen. Ich kam vom Bolzplatz und sollte nun zu diesen Missionaren ins Auto steigen, um ins Kloster nach Ingolstadt zu fahren. Meine Mutter hatte mir nur ein kleines Köfferchen gepackt und sagte zu den beiden: „Der bleibt nicht lange, wenn er nicht jeden Tag mindestens drei Stunden Fußball spielen kann.“ Doch ich blieb, denn schnell merkte ich, dass mich die Klostermauern nicht am Spielen hinderten. Und der Fußball sollte mir mein ganzes missionarisches Leben erhalten bleiben.
Ich machte eine Ausbildung zum Gärtner und kümmerte mich um die Grünanlagen verschiedener Klöster, bis ich mit 29 Jahren in die Mission durfte. Meine Bestimmung war die indonesische Insel Flores. Dort übernahm ich die Leitung des landwirtschaftlichen Groß- und Ausbildungsbetriebes Mataloko in der Erzdiözese Ende. Täglich mussten 400 Leute von unseren Feldern satt werden. Obst, Gemüse und Getreide haben wir angebaut, dazu Vieh gehalten. Knochenarbeit.
Die Jungs brauchten einen Ausgleich: Fußball! Mein Vorbild war schon immer Berti Vogts. Der gab als Verteidiger niemals auf. Das brachte ich meinen Jungs bei. Gebt nicht auf, es gibt immer eine Lösung. Wir trainierten systematisch, das kannten die Jungs auf Flores bisher nicht. Wir gewannen und gewannen. Unsere Sonntage liefen meist so ab: Wir gingen zur heiligen Messe, danach standen Pferde bereit, mit denen ritten wir zu unseren Spielen. Die Eltern waren froh, dass ich ihre Jungs mit dem Kicken vor der Straße und vor Dummheiten bewahrt habe.
Nicht nur die Jungs brauchten einen Ausgleich, ich auch. Meine zweite Leidenschaft ist das Malen. Und ich bin so froh, dass ich hier in St. Wendel (Buder Jessberger lebt seit 2013 im Missionshaus St. Wendel, Anmerk. d. Red.) ein kleines Atelier habe, in das ich mich zurückziehen und wo ich malen kann. Auf Flores habe ich besonders gern die Gesichter der Menschen gemalt. Die Florenser sind Wir-Menschen. Die Gemeinschaft, das Wohlergehen aller steht im Mittelpunkt, nicht des Einzelnen. Scheinheiligkeit ist ihnen fremd. Am meisten hat mich beeindruckt, wie diese einfachen Menschen beten konnten. Viel besser als ich. Diese armen Menschen sind die reichsten. Das wusste schon Jesus.
Jesus war kein Theologe, kein Dogmatiker, er war immer auf Augenhöhe mit den Menschen, hat ihre Sprache gesprochen, ihre Symbole und Bilder verwendet. Daher habe ich Jesus in meinen Bildern immer mitten unter den Menschen gemalt. Ich denke, wir sollten uns immer die Kernfrage stellen: Was würde Jesus tun? Ich habe immer versucht, die Jugend von Jesus zu begeistern. Da müssen wir wieder hinkommen. Es bringt doch nichts, beim Heiligen Geist um Berufungen zu beten. Wir müssen akzeptieren, dass unsere Orden kleiner werden, aber die Laien übernehmen ihre Aufgaben. Es funktioniert schon heute in vielen Teilen der Erde.
Viele Außenfassaden von Kirchen auf Flores tragen meine Bilder. Auf meinen Bildern sind Alte und Junge, Kranke und Starke, Muslime und Christen – wir müssen aufgeschlossen sein gegenüber allen Kulturen und Generationen. Wir suchen und sprechen oft zuerst die Gegensätze an, anstatt das Verbindende zu benennen.
Akzeptanz und Toleranz, das war es auch, was ich ‚meinen Mädchen‘ beibrachte. Ich ging schon auf die Siebzig zu, als mich eine Ordensschwester bat, eine Mädchen-Fußball-Mannschaft zu trainieren. Es war eine ganze besondere Mannschaft: Ich traf auf katholische und muslimische junge Frauen. Frauen haben in Indonesien einen geringeren Stellenwert als Männer. Doch auf diese Frauen waren ihre Männer so stolz, dass sie sie mit dem Motorrad zum Fußballplatz brachten und bei ihren Spielen kräftig anfeuerten. Die Menschen im Dorf sagten mir später, dass diese Mannschaft einen wichtigen Beitrag zur Ökumene geleistet habe. Dass ich diese jungen Frauen trainieren durfte, war für mich das schönste Geschenk meines missionarischen Lebens.
Kommentare (2)
Albert Egger
am 29.09.2019Xaver Hetzenegger
am 13.10.2019