Es sind die Stille und die Dunkelheit, die die Osterprozessionen in Mendrisio so eindrucksvoll machen. Schweigend stehen die Zuschauer am Straßenrand, während römische Soldaten an ihnen vorbeiziehen und rhythmisch die Trommel schlagen. Jesus trägt barfuß sein Kreuz, sechs Mal fällt er, dann stürzt sich die Meute auf ihn: „Va morte! – Stirb!“ Auch die trauernde Muttergottes, die beiden verurteilten Verbrecher und die Kinder, die tänzelnd Hammer, Nägel und Lanze durch die Straßen tragen, sind stille Zeugen dieses Leidensweges.
Am Abend des Karfreitags ziehen die Einwohner des kleinen Ortes im südlichen Tessin wieder durch die Straßen. Zwischen den Häusern hängen Leuchtbögen, bemalte Leinwände mit biblischen Szenen. Kinder und Jugendliche tragen ähnlich gestaltete Laternen, die den ganzen Kreuzweg in Bildern verkünden. Ihnen folgen die Erwachsenen mit der Statue des toten Christus und der Schmerzensmutter aus der Kirche, während die Blaskapelle den Trauermarsch spielt. Nach dem Spektakel des Gründonnerstags ist dies für viele Einheimische die spirituellere und eindrücklichere Art, Ostern zu feiern.
Die Prozessionen von Mendrisio, die nun auch als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt sind, gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Die Laternen sind uralt, die Kostüme für die Gründonnerstagsprozession kamen vor mehr als 100 Jahren von der Mailänder Scala ins Tessin. 200 Darsteller und rund 30 Pferde machen mit. Wer die Rolle des Christus spielt, bleibt bis zuletzt geheim, und nur einziges Mal darf jeder Mann sie übernehmen. Viele warten jahrelang auf diese große Ehre.
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